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Wurzeln und Flügel

Die Christuskirche aus der Sicht einer deutsch-französischen Familie

[Kinderbilder]

Vielleicht ging es Ihnen wie mir und Sie sind fast zufällig nach Paris gekommen. Bei mir war es eine gute Gelegenheit hier für ein paar Monate zu arbeiten. Das ist nun über zehn Jahre her und ich wohne nicht mehr alleine in einer „chambre de bonne“ unterm Dach, sondern lebe mit meinem Mann und unseren beiden Kindern in einer schönen Wohnung im 12. Arrondissement.

Mein Mann ist französisch und katholisch, ich bin deutsch und evangelisch. Als unsere Kinder geboren wurden, war für uns klar, dass sie getauft und christlich erzogen werden sollten. Wir beide wissen uns verwurzelt in christlicher Tradition und geprägt von ihren Werten. Aber wie könnte eine Taufe aussehen, bei der sich alle denen die Kinder am Herzen liegen, ob deutsch oder französisch, evangelisch oder katholisch angesprochen und einbezogen fühlen? Darüber haben wir mehrmals lange mit dem damaligen Pfarrer der Christuskirche, Herrn Dr. Martin Beck gesprochen. Wir durften einen katholischen Geistlichen, Père François, zu dem Taufgottesdienst einladen. Pfarrer Beck hat unsere Kinder getauft und Père François hat sie im Anschluss an den Taufakt gesegnet. Es war ein sehr schöner, einvernehmlicher Gottesdienst, an den sich alle, auf beiden Seiten der Familie mit frohem Herzen erinnern. Inzwischen sind unsere Kinder wohl vertraut mit der Christuskirche und gehen schon lange „alleine“ in den Kindergottesdienst, während ich in Ruhe den Gottesdienst im Kirchenraum genießen darf. Von den liebevoll gebastelt, gefüllt und versteckten Osterkörbchen zur Kinderbibelnacht und dem Martinsumzug - die Kindern lieben die Rituale des Kirchenjahrs und die vielfältigen an sie gerichteten Angebote. In der Christuskirche begreifen sie die Notwendigkeit und Attraktivität der deutschen Sprache und somit ist die Teilnahme am Kindergottesdienst und Kinderprogramm ein Baustein für die Entwicklung ihrer Mehrsprachigkeit geworden.

[Kinderbilder]

Unsere Kinder gehen auf eine französische katholische Schule. Es ist eine gute Schule und so will es die französische Familientradition. Sie sind die einzigen evangelischen Kinder in ihren Klassen und sie nehmen nicht an der Vorbereitung zur Erstkommunion teil. Wir sprechen oft über die Gründe und in diesen Gesprächen spielt die Christuskirche natürlich eine zentrale Rolle. Als französisches Kind in der deutschen evangelischen Kirche beheimatet zu sein, ist nicht selbstverständlich und nicht immer einfach. Umso wichtiger sind ihre konkreten persönlichen Erfahrungen in der Christuskirche.

Ich selbst bin immer wieder erstaunt, wie wenig die meisten Franzosen über die evangelische Kirche wissen. Ob wir auch Ostern feiern, wurde ich gefragt. Manchmal im Gespräch habe ich den Eindruck einer verhaltenen Geringschätzung, aber vielleicht ist es nur die Unkenntnis des Gegenübers, die in mir dieses Gefühl aufkommen lässt.

Gemischt konfessionelle Familien gibt es doch sehr oft, das ist heutzutage kein Thema mehr - sagten mir deutsche Freunde. Ja, wenn aber Mehrsprachigkeit dazu kommt, wenn zwei unterschiedliche Erziehungsmodelle vereint werden müssen, es gilt zwei Kulturen zu assimilieren, dann wird es schon schwieriger. Ein einfaches Beispiel: Wie feiern wir Weihnachten? Deutsch oder französisch? In welche Kirche gehen wir? Alle zusammen? In diesem Jahr so und im nächsten dann anders? Weihnachten ist ein Beispiel für die vielen kleinen Entscheidungen, die wir gemeinsam immer wieder verhandeln und fällen müssen um unsere Familie im Gleichgewicht zu halten.

Die Christuskirche hat uns mit offenen Armen empfangen und dafür bin ich sehr dankbar.

Für mich ist sie ein Stückchen Heimat geworden. Heimat, weil ich dort die Worte und Lieder, die mir seit der Kindheit vertraut sind, wiederfinde. Heimat, weil meine Kinder dort getauft sind und es nun der Ort ist, an dem sie mit den Worten und Liedern, die mich berühren, vertraut werden.

Es ist der Ort - traditionsreich und ehrwürdig und doch licht und leicht, so schön geschmückt zum Advent. Es sind die Menschen - allen voran unsere Pfarrer, die Mitglieder des Kirchengemeinderats, das Kinderkirchenteam, die vielen Helfer, die bunte Gemeinschaft für einen Gottesdienst, für ein Stück des Weges. Es ist der Geist - offen, frei, kulturbewegt.

125 Jahre wird sie nun alt und wir sind gerade 10 Jahre mit dabei. Ich wünsche der Christuskirche weiterhin eine so freundliche und kluge Leitung, eine lebendige Gemeinde, begabte Musiker, offene Geldbeutel, um die sehr schwierige Finanzsituation zu bewältigen und natürlich Gottes Segen. Möge sie uns weiterhin Wurzeln und Flügel geben!

MBB (die Autorin ist der Redaktion bekannt)

Datum der letzten Änderung
Letzte Änderung 2019-09-26, 22:00:41 (GMT)
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