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Die Christuskirche – eine Außenperspektive

Während des Jubiläumsjahres 2019/20 haben unterschiedlichste Autorinnen und Autoren in zehn Artikeln die Rolle und Aktivitäten der Christuskirche beleuchtet. Wie aber wurde und wird die Deutsche Evangelische Gemeinde Paris, eine mit der EKD verbundene sogenannte »Auslandsgemeinde« von außen, vom französischen Umfeld wahrgenommen? Agnès von Kirchbach, Pastorin i.R. der Église Protestante Unie de France schildert ihre Eindrücke:

Eigentlich weiß ich nicht ganz genau, wie lange ich die Christuskirche kenne. Es muss so ganz am Anfang der 80er-Jahre gewesen sein. Vierzig Jahre schon. In einem Menschenleben ist das viel Zeit, aber füreine Kirche? Mit Freude stelle ich fest: Die Beweglichkeit der Gemeinde ist nicht verloren gegangen. Neue Familien, veränderte Aufgabenbereiche, wechselnde Pfarrer und Pfarrerinnen, politische und wirtschaftliche Umstrukturierungen in Europa, Globalisierung der Welt und Individualisierung des religiösen Bereiches, Verlagerung der sozialen Nöte... all das hat zum Jungbleiben der Kirche beigetragen. Aber sicherlich nur, weil es auch die große innere Stetigkeit gibt: Sonntag für Sonntag der Gottesdienst, offen für alle Menschen, die an die Tür treten.

Eine Auslandsgemeinde hat einen eigenen Charakter, geprägt von der besonderen Geschichte zwischen zwei Ländern, zwei Sprachgruppen und Kulturen, zwei verschiedenen Ausprägungen von Kirchenverständnis oder auch dem, was als Normalität aufgefasst werden kann in Hinblick auf das Verhältnis von Staat und Kirche.

Eine Auslandsgemeinde, so wird gesagt. Aber Ausland von woher gesehen? Der Name passt eigentlich nur, wenn man von einem Heimatland aus spricht. Deshalb ist es besonders schön, dass der Name »Christuskirche« als erstes darauf verweist, woher wir leben. Damit wird ein Bogen in die Zeit gesetzt: Das Eigentliche kommt von dem, der sich für uns als Christus erweist, und der Verwurzelung auf unserer Erde über alle Kultur- und Machtgrenzen hinweg ermöglicht. Aber auch die nach vorne offene Zeit wird von ihm bestimmt. Der (Noch-)Kommende relativiert die geschichtlich manchmal schroffen Erfahrungen von Aufeinanderprallen, Einsamkeit oder Demütigung.

Die Christuskirche setzt damit ein wunderbares Signal nicht nur für die eigenen Gemeindemitglieder, sondern auch für alle anderen Christen in ihrem Umfeld. Das Wichtigste liegt nicht in de Sprache, der Musik oder der liturgischen Tradition, sondern in der Quelle, an der wir schöpfen.

Natürlich gibt es auch Erwartungen. Und da spielen die Gesetze der Soziologie einegrosse Rolle. Wenn man zu einer Minderheit gehört, erwartet man gerne, von der Mehrheit positiv wahrgenommen zu werden. Nur leider geschieht das selten. Für die Christuskirche gibt es gleich mehrere Mehrheiten bzw Minderheiten: sprachlich, kulturell, religiös.

Das gilt natürlich auch für die französischsprachige evangelische Tradition. Auch sie ist in der Minderheit und unterliegt oft unbewusst den gleichen soziologischen Beobachtungen. Nur selten wendet sie sich anderen, noch kleineren Minderheitsgruppen zu, sondern richtet ihre Erwartungen vor allem an die Mehrheitskirche.

Das hat Konsequenzen. Es braucht den Mut zur Initiative. Wenn die Christuskirche sich einigelte, würde das wahrscheinlich kaum einer bemerken. Wenn sie sich aber bewusst den anderen zuwendet, wie das der Fall ist durch die Einbindung in die Fédération protestante de France, dann kann sie eine wirkliche geistliche Ausstrahlung erkennen lassen: nämlich die Vielstimmigkeit Gottes hörbar werden zu lassen, nicht wie eine Kakophonie von sich streitenden Kindern, sondern wie eine Bachmotette, bei der alle Stimmen auf ihre Weise die musikalischen Themen aufgreifen und harmonisch zu Gehör bringen. Ja es ist schön, dass es die Christuskirche mitten in Paris gibt!

Agnes von Kirchbach, Pfarrerin der Eglise protestante unie

Datum der letzten Änderung
Letzte Änderung 2020-06-29, 18:54:03 (GMT)
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