Ökumene in der rue Blanche 2002-2011

Von Claudia Weik-Schaefer und Markus Schaefer

Wir waren von 2002 – 2011 Pfarrer/in der Christuskirche. Dabei konnten wir viele schöne ermutigende Erfahrungen machen, die zeigen, dass „Ökumene“ nicht nur die Beziehung zur römisch- katholischen, sondern zu allen Kirchen bezeichnet. Ja, „Ökumene“ bedeutet im Neuen Testament die ganze „(bewohnte) Erde“.

Eine Auslandsgemeinde steht im Spannungsfeld von Konfessionen und Kulturen: Sie trifft auf alle Formen des Christentums, lebt in einem fremden sprachlich-kulturellen Umfeld. Sie muss die Balance zwischen der Identität im Glauben und der Anschlussfähigkeit zu anderen Konfessionen bzw. zwischen der sprachlich-kulturellen Identität und der Umgebungskultur halten. Das Evangelium Jesu Christi gibt es immer nur in einer veränderlichen sprachlichkulturellen Gestalt. Die Kunst und Notwendigkeit bestehen darin, diese Gestalt zum Dialog mit anderen zu nutzen. Unterbleibt dieser, droht die (antiökumenische) Gefahr, die eigene Konfession oder / und die eigene Sprache und Kultur zu verabsolutieren, kurz: Konfessionalismus und Deutschtümelei, wenn nicht Nationalismus. Die Anfänge der deutschen evangelischen Christuskirche vor 125 Jahren erzählen davon, dieser Gefahr zu erliegen. Die Christuskirche begann als ‚feste Burg‘ evangelischen Glaubens, umgeben von römisch-katholischen Feinden und als Hort deutscher Kultur inmitten einer feindseligen französischen Umgebung. Die Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt davon, wie evangelische Deutsche mit Christinnen und Christen anderer Sprache und Kultur in Austausch und Dialog getreten sind und gerade darin ihre Identität bewahrt haben.

Das Verhältnis zur deutschen katholischen Gemeinde war in „unserer“ Zeit herzlich. Beim jährlichen Gottesdienst ging die ökumenische Gastfreundschaft so weit, dass in den ersten Jahren Pfarrer Sellinger uns beide an der Austeilung der Eucharistie beteiligte, sie unter beiderlei Gestalt, Brot und Wein, feierte und für Protestantinnen und Protestanten problematische Formen des eucharistischen Hochgebets vermied. Zwar nahm er an der Feier des evangelischen Abendmahls in der rue Blanche nicht teil, verbat seinen Gemeindegliedern aber auch nicht, an den Altar zu treten. In den Folgejahren ging die Gemeinschaft nicht mehr so weit, dafür hat sich die praktische Zusammenarbeit verstärkt.

Im Verhältnis zur katholischen Nachbargemeinde Sainte Trinité veranlasste Curé Jacques Benoit-Gonnin, der heutige Bischof von Beauvais, einen Halt der Karfreitag-Prozession an der Christuskirche. „Partageons nos trésors“ – ‚Teilen wir unsere Schätze‘ war der Titel einer alljährlichen Begegnung möglichst vieler Kirchen im 9. Arrondissement. Neben den evangelischen Gemeinden und der römisch-katholischen Kirche nahmen die orthodoxe, die anglikanische, die kameruner-presbyterianische und eine Gemeinde aus Madagaskar teil.

In der Zeit von 2002 bis 2011 feierten viele europäische evangelische Auslandsgemeinden aus Deutschland, Dänemark, Schweden und Schottland sowie die französischen Gemeinden in Paris zusammen einen vielsprachigen Gottesdienst zum Reformationstag und spiegelten so die Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die seit der Konkordie von Leuenberg 1973 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen ermöglicht.

Am ersten Freitag im März stand der Weltgebetstag an, der die Christuskirche nicht nur mit den katholischen deutschen Geschwistern, sondern mit vielen anderen Institutionen verbindet. Der Weltgebetstag ist übrigens die größte regelmäßige ökumenische Veranstaltung weltweit.
Die weltweite Ökumene spiegelte sich auch in der Gastfreundschaft für die Gemeinde der Eglise presbytérienne du Caméroun. Trotz mancher Konflikte in ihr war und ist der Kontakt zu afrikanischen Christen eine wichtige Herausforderung.

Die Christuskirche ist Teil einer großen evangelischen Familie, der GEKE. Daraus ergibt sich die Frage ihres zukünftigen Verhältnisses zur Vereinten Evangelischen Kirche Frankreichs (EPUdF). Wäre es nicht Zeit, dass sie assoziiertes Mitglied wird?